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Natalie Berry | Pretty Girls Make Graves

 
Text: Natalie Berry | Fotos: Chris Prescott

 

„Gravestones“ (Grabsteine). Der Name dieses Klettergebiets erweckt wenig Vertrauen. Genauso wenig wie der Name der Route, die ich mir ausgesucht habe: “Pretty Girls Make Graves” (Schöne Frauen bringen dich ins Grab). Dass die Namensgebung etwas mit dem gleichnamigen Song der britischen Indiepop-Band The Smiths oder einem Zitat aus Jack Kerouacs Roman „Gammler, Zen und hohe Berge“ zu tun haben könnte, macht es nicht besser. Ich fühle mich in einer Route, die auf den Tod anspielt, einfach nicht wohl.

 

Bis vor kurzem hatte ich wenig bis gar keine Erfahrung mit Tradklettern. Trotzdem kann ich auf Anhieb immer schwerere Routen klettern. Innerhalb weniger Wochen hake ich E1, E2 und dann schon E4 ab. Wir machen noch Witze, dass als nächstes eine E8 kommen würde, nachdem ich ja immer die vorangegangene Schwierigkeit verdoppelt habe. Auch wenn mein Selbstvertrauen dadurch enorm gestiegen ist, traue ich mir eine E8 nicht zu. Ich überlege lange, entscheide mich dann aber für eine E6 als nächste Herausforderung. Meine Freunde trauen es mir zu und naiv wie ich bin, glaube ich ihnen...

 

 

Als ich kurz darauf mit Lucy Creamer in Wales bin, sticht uns die Route Pretty Girls Make Graves (E6 / 6b) ins Auge. Sie liegt im Gebiet Graig Cwm Glas Bach. In meinem Topoführer lese ich:

 

„Eine bemerkenswerte Route. Starte auf halben Weg auf einer Rampe unterhalb einiger Überhänge. Nach einem steilen Riss wartet ein enttäuschender Quergang. Weiter rechts findest du mehr schlecht als recht Platz zum Rasten, bevor es in den oberen Teil des Risses geht. Dieser bringt dich mit viel Kraft, einigen kreativen Jams und vermutlich aufgepumpten Armen zum Ausstieg.“

 

Enttäuschend. Mehr schlecht als recht. Steiler Riss. Viel Kraft. Jams. Aufgepumpte Arme. Irgendwie stechen diese Worte hervor und irgendwie passen sie so gar nicht zu mir. Ich bin Crimps und Bohrhaken gewohnt. Ich bin noch nie in meinem Leben einen weiten Riss geklettert, geschweige denn habe ich jemals so etwas selbst abgesichert. Aber im Führer steht auch noch etwas von “angemessen abgesichert“. Das sorgt für etwas Vertrauen.

 

 

Bis jetzt bin ich wenig mit Frauen geklettert. Die Kletterszene in Schottland ist dominiert von Männern. Im Gegensatz zu Klettergebieten in England und Wales gibt es hier weniger Frauen, die hart klettern, sei es im Trad oder Sportklettern. Ich komme aus dem Wettkampfklettern, bin es gewohnt gegen Frauen zu klettern – nicht mit ihnen. Dieser Trip ist auf angenehme Art anders: Klettern mit Lucy hat einen beruhigen Effekt. Sie ist eine absolute Allrounderin und bringt Erfahrung in allen Spielarten des Kletterns mit, auch im Wettkampfklettern. Allerdings lief es bei ihr genau andersherum als bei mir: Für mich ging es von der Halle an den Fels, nicht andersherum. Klettern mit Lucy bedeutet Klettern ohne Ego oder Wettkampf. Sie unterstützt mich mit ihrer Erfahrung beim Erreichen meiner Ziele. Und sie redet mir gut zu: Du hast genug Ausrüstung dabei, du bist den technischen Schwierigkeiten gewachsen, du setzt die Sicherungen souverän... Letzteres trifft zu, bis ein kleiner von mir gesetzter Cam ausreißt, als ich die Route erstmal Toprope probiere…

 

In der Ethik des Tradkletterns ist es nicht gern gesehen, eine Route zunächst Toprope zu klettern. Lucy hat auch hier einen guten Rat: Denke dir nichts dabei und versuche die Route lieber so sicher wie möglich zu meistern. Da ich wenig Erfahrung im Tradklettern und wenig Zeit habe, entschließe ich mich für den effizienten und sicheren Weg, die Route und das mobile Absichern Toprope zu üben. Nach zwei Durchstiegen fühle ich mich – auf einmal – bereit, den Vorstieg zu wagen.

 

 

Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und los geht’s – gleich mit einem harten Boulder mit unangenehmen Tritten auf Undercuts. Ich fokussiere mich auf den Riss über mir und meine Finger und Fäuste finden Jams, als ob sie nie etwas anderes gemacht hätten. Ich arbeite mich nach oben, indem ich meine Hände und Füße in alle möglichen Positionen drehe. Ab und zu hilft nur noch Piazen. Meine Cams und Keile sitzen perfekt und erwecken den Eindruck, dass sie einen Sturz auf jeden Fall halten.

 

Es ist bereits Nachmittag und die Sonne taucht den Fels in ein angenehmes Licht. „Gut gemacht!”, ruft Lucy nach jedem gesetzten Keil, Clippen oder Chalken. Ich mache kurz Pause, um meine Arme auszuschütteln. Mir wird bewusst, dass ich mitten in einer Route bin, von der ich nie im Leben geglaubt hätte, sie zu klettern. Ich bin so geflasht, dass ich in der nächsten Seillänge eine geplante Sicherung vergesse. Egal! Ich klettere weiter, bin schon im oberen Teil des Risses. Was schrieb Kerouac in seinem Roman nochmal? „Du kannst nicht fallen, wenn du tanzt." Mir schießen tausend Gedanken durch den Kopf, ich kann sie nicht in Worte fassen, bin einfach nur glücklich und stolz.

 

 

Ich hätte nie gedacht, dass ich so schnell E6 klettern kann – und erst recht nicht an einem einzigen Tag! Als Wettkampfkletterin war ich es gewohnt, meine Leistung zu analysieren, zu grübeln und damit auch schnell nervös zu werden und an mir selbst zu zweifeln. Ich musste sie an Tag X abrufen können. Beim Felsklettern muss ich hingegen mehr auf meinen Bauch hören, Wetter und Verhältnisse beurteilen und den richtigen Moment abpassen. In einem Wettkampf fokussiert man oft auf die Leistung der anderen, bewertet sich selbst im Vergleich zu ihnen und sieht sich dabei oft schlechter, als man wirklich ist. Zum Tradklettern hingegen gehören exakt zwei Personen und es ist genau andersherum: Gemeinsam ist man besser.

 

Lucy hat an mich geglaubt und mir eine Route zugetraut, die weit außerhalb meiner Komfortzone lag, in einem tiefen Riss und mit angsteinflößendem Namen. Das hat mir Kraft und Vertrauen gegeben und gezeigt, was Kletterpartner bewirken können. Außerdem hat mir diese Route gezeigt, dass manchmal Spontanität gefragt ist. Training und eigene Erwartungen bringen dich nicht immer ans Ziel. Manchmal muss man es einfach machen.

 

Faszination Klettern

Was Klettern, diese faszinierende Sportart, für uns bedeutet? Wir können es nicht in Worte fassen. Daher sind wir immer wieder sprachlos, wenn Kletterer mit unseren Produkten an ihre Grenzen gehen und inspirierende Geschichten von ihren Touren mitbringen. Das treibt uns an, unsere Produkte immer weiterzuentwickeln.

 

Wir haben eine Sommerkollektion für Kletterer entwickelt, die gut sitzt, gut aussieht und einfach funktioniert, egal ob in der Mehrseillänge oder beim Bouldern.

 

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