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Das Glück der Gutgläubigen

Text & Bilder: Erika Dürr

Erika “Ulligunde” Dürr durchquerte drei Wochen lang Schottland. Allein, mit Rad und Zelt.

Im Grunde stört mich meine geringe Geschwindigkeit nicht. Der Regen genauso wenig wie die teils brutalen Böen von der Seite. Nein, das Mühsamste an diesem Kampf ist die Gewissheit, dass die Kilometer, die ich hier gerade zurücklege, an jedem Tag der vergangenen zwei Wochen mit purer Leichtigkeit gegangen wären. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Es geht noch viel schlimmer.

Naiv? 

Mag sein, dass die Entscheidung, solo, per Rad und mit Zelt drei Wochen durch Schottland zu radeln etwas gutgläubig war. Mit wahren Horrorgeschichten über das schottische Wetter im Ohr klaubte ich Mitte April mein Fahrrad vom Gepäckband des Glasgower Flughafens. 

Schottische Freundlichkeit

Das erste Problem, das sich mir stellte, war weder Sturm noch Regen, sondern eine zerstörte Luftmatratze, die ich zum Schutz um mein Rad gewickelt hatte. Ein naher Outdoorshop hatte nicht nur guten Ersatz, sondern zeigte gleich, worauf ich mich die kommenden drei Wochen verlassen konnte: Ehrliche, herzliche Freundlichkeit. Die beiden Verkäufer winkten mir nach, während ich mein kleines Abenteuer tatsächlich startete. Bei herrlichem Sonnenschein und bestem Rückenwind radelte ich los und verbrachte meine erste Nacht direkt am Loch Lomond. Alles noch ein bisschen unkoordiniert und neu - schließlich war ich noch nie mit ganz so viel Gepäck unterwegs. Ich hatte mich auf alle Wetter eingestellt. Und jetzt saß ich hier an einem sonnigen See und konnte noch nicht ganz glauben, dass dieses Projekt tatsächlich wahr wird.

Perfekt!

Die folgenden zwei Wochen radelte ich zunächst ausgiebig auf der Isle of Skye, bevor ich der Westküste nach Norden bis nach Ullapool folgte. Die Sonne war mein treuer Begleiter, nie war der Wind ein Thema. Den steilen Anstieg zu Schottlands Radl-Testpiece “Applecross” genoss ich trotz Gepäck in wahrlich vollen Zügen und unter wolkenlosem Himmel. Abends folgte ein perfekter Zeltplatz dem nächsten. Das Rad hielt treu, gorßartige Cafés säumten alle paar Stunden meinen Weg und die hervorragende Netzabdeckung sorgte dafür, dass Einsamkeit nie ein großes Thema war. Wann aber auch - das Wetter und die Landschaft war so herrlich, dass Heimweh nie aufkam.

Auch das ist Schottland

Das alles änderte sich schlagartig, als ich auf die Äußeren Hebriden übersetzte. Im einen Moment regnete und blies es, im nächsten schien die Sonne. Mit meinem Rückflug im Nacken begann anschließend ein Katz- und Mausspiel zwischen den Regen- und Windpausen. Aus Furcht vor dem angekündigten Sturm legte ich mich ins Zeug und durchquerte in nur zwei Tagen den gesamten Inselzug. Der Wind trug das salzige Wasser mit sich, die Bremsen verloren an Kraft, meine Kette verfärbte sich innerhalb kürzester Zeit rostrot. 

Bitteres Finale

Ich kam bis 15 Kilometer vor meinen Zielort Castlebay, bevor der Sturm einsetzte. Mit völlig unberechenbaren Böen rüttelte er an meinem Rad, die trübe Sicht tat ihr Übriges. Als ich mit nicht mal mehr 8 km/h die letzten Kilometer zurücklegte, lagen die Nerven blank - es war der einzige Moment der Reise, in dem ich mir einen Reisepartner gewünscht hätte. 

Das Glück mit im Gepäck

Einen Tag später setzte ich bei heftigem Seegang auf der Fähre von Castlebay nach Oban über, in Dauerregen durchquerte ich per Zug jene Täler, die ich zu Beginn meiner Reise in Sonnenschein erlebt hatte. Tosende Bäche durchzogen die Hänge. Während mein Flugzeug wenig später bei dunkel verhangenem Himmel langsam empor stieg, dämmerte es mir langsam: Ich hatte schlichtweg unendliches Glück mit dem Wetter. 

Ausrüstung: 

  • Zelt: in meinem Fall das sehr robuste Vela I von Exped. Normalerweise bin ich mit dem ultraleichten Mira I unterwegs (und stets sehr zufrieden), aber für Schottland war mir das zu windig.
  • Radtaschen waren nahezu ausnahmslos von Ortlieb und haben sich mal wieder sehr bewährt.
  • Schlafsack mit Komforttemperatur bis -5 Grad (z.B. Mountain Equipment Glacier 700 Women's oder Helium 600 Women's)
  • Klamotten: Nach langem Hadern hatte ich eine dünne Jacke (Mountain Equipment Switch Pro Hooded Women's Jacket) und eine dünne Daunenjacke (Mountain Equipment Earthrise Hooded Women's Jacket) dabei - zusätzlich noch eine dünne Hardshell (Mountain Equipment Firefly Women's Jacket) - die Kombi war absolut perfekt!
  • Wasser: In Glasgow wurde mir ein Wasserfiltersystem empfohlen. Ich hatte bisher nie eines verwendet - in dem Fall war es aber Gold wert. Die Wasserversorung war in Schottland deutlich schwieriger als ich bei einem regenreigen Land erwartet hätte! Es gibt nirgends (!) Brunnen!
  • Schuhe: Zustiegsschuhe (Explorer II von LOWA) - die feste Sohle war gerade beim Radeln und bei der Wanderung zum Old Man of Storr gut.
  • Fahrrad: Atlas 2.9 von Focus
  • Navigation: Planung per Komoot, Navigation mit meinem Wahoo Elmt Bolt

Gepäck: Insgesamt wog das Gepäck etwa 15 Kilo ohne Wasser, aber mit Trekkingnahrung für ein paar Tage.

Ulligunde

Erika Dürrs Lieblingsspielplatz waren über Jahre die alpinen Wände der Alpen. Nach einem tragischen Erlebnis zog es sie in andere Gefilde - per Gleitschirm in die Luft und per Rad in die Welt. Inzwischen ist die Freude an der Vertikalen zurück.

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