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Eine Reise ins Reich der Risse

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Rissklettern in Cadarese

Luisa Deubzer & Rosa Windelband
Text: Luisa "Lulu" Deubzer mit Rosa Windelband
Fotos: Laura Tiefenthaler (oben), Luisa Deubzer, Dörte Pietron, Janina Reichenstein

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6.-8. Oktober 2021

Der schwarze Totem liegt bomber, aber es ist kein allzu großes Placement und mittlerweile auch schon etwas weit weg. Lea fighted sich die Verschneidung am Ende von Crack-a-Gogo hoch, als ihr – Zack! – ein Fuß rutscht. Sie macht einen ziemlichen Abgang, bei dem ich sogar noch Zeit habe, ein wenig Seil einzuziehen. Der Cam hält, Lea flucht, Janina und ich bejubeln den weiten Sturz und das Vertrauen ins Placement.

Janina in "The Doors"

📷 Luisa Deubzer

Für mich ist diese Szene bezeichnend dafür, was ich an unserem Team schätze: Man ärgert sich füreinander, fiebert mit, freut sich und cheert für Dinge, die die Person selbst vielleicht in dem Moment gar nicht sieht.

Es ist schon cool: Lea hatte einen harten Sommer, an dessen Ende ihr Kopf beim Klettern eigentlich nicht besonders gut war, nachdem einer ihrer Freunde beim Sportklettern einen schweren Unfall hatte. Und jetzt klettert sie kühner als wir alle, weit über den mobilen Sicherungsmitteln und gibt dabei alles.

Auf die Frage, wie sie sich diesen plötzlichen mentalen Switch erklärt, entgegnet sie, „das Umfeld und die Dynamik im Team”, die einfach ziemlich empowernd sind und die es leichter machen, über sich hinauszuwachsen – dort, wo die Gefahr objektiv nicht groß ist, der Kopf aber manchmal doch streikt. Auch ich hatte vor ein paar Monaten eine ähnliche Erfahrung in den Dolomiten gemacht.

Lulu im "Turkey Crack" & Janina in "The Doors"

📷 Dörte Pietron (oben), Luisa Deubzer (unten)

Wir waren im Oktober einige Zeit in Cadarese: drei Lehrgangs-Tage, an denen unsere Trainerin Dörte und Laura uns beim Kampf mit den Klemmern mit ihrer Erfahrung zur Seite standen. Und im Anschluss blieben einige von uns noch länger – weil es einfach noch zu viel zu tun gab. Während dieser Zeit änderte sich mein Blick auf die ungebohrten Linien fundamental: Am Anfang schien alles noch etwas einschüchternd, einfach, weil es keine Bolts gab. Am Ende hängte ich mich überall rein, solange es nur einen Riss gab, nach dem Motto „da kann man zur Not ja eh hochaiden“.

Cadarese ist ein bisschen wie Bleau: Man haut sich in alles, was gut ausschaut, denn Grade sind teilweise eh nicht aussagekräftig (6c-Off width, I am looking at you), man kann gemütlich am Wandfuß picknicken und dabei zuschauen, wie die anderen im Größer-als-Hand-Rissdach verzweifeln. Es ist das perfekte Setting, um mehr Vertrauen in mobile Placements zu bekommen, weil die Placements a) sehr gut sind und man b) auch mal an der Leistungsgrenze was probiert, also auch mal ordentlich reinkachelt. Denn, wie wir an unserem ersten Tag feststellten, ist es etwas anderes, meinen Placements in einer 6c zu vertrauen, in der ich eh wahrscheinlich nicht falle, oder in einer pumpigen 7c mit schlechten Tritten (Überraschung…). Bei ersterer ist das Vertrauen eher theoretisch, bei zweiterer, wenn ein Sturz auf einmal sehr wahrscheinlich ist, überlegst du dir am Anfang doch noch ein zweites Mal, ob der grüne Microcam kein Backup braucht. Nach ein paar Tagen war das Vertrauen jedenfalls dann auch praktisch da.

Als neue Herausforderung stellte sich auch das Merken der Riss-Beta heraus. „Das gibts doch nicht, der Fingerriss sieht überall gleich aus, ich verlier immer den Überblick an welcher Stelle ich grad bin und vergesse die Reihenfolge der Klemmer...“. Doch genau da ist es umso cooler mit anderen gemeinsam die Züge ausarbeiten zu können. Und nach ein paar Tagen Übung konnten wir uns beim gemeinsamen abendlichen Visualisieren der Projekte sogar zumindest über einen großen Teil der Züge austauschen und fachsimpeln an welchem Fingerglied der Riss nun am besten klemmt und welches Cam Placement wir noch weglassen könnten.

Janina & Lulu in "The Doors"

📷 Janina Reichenstein (links), Luisa Deubzer (rechts)

Und wie tausende Boulderer jedes Jahr nach Bleau pilgern, in der Hoffnung mit besseren Plattenskills gesegnet zu werden, hofften wir darauf, in Cadarese eine Erleuchtung für Klemmer jeder Art zu finden. Hat das geklappt?

Naja, nicht ganz, aber gelernt haben wir trotzdem viel! Weil viele der Risse entweder auch mal Verjüngungen oder Griffe und Tritte außerhalb des Risses hatten, hat es sich doch teilweise etwas mehr als normales Klettern angefühlt und der Sprung ins Wasser war nicht ganz so kalt. Aber genau das war ideal zum Lernen: kleine Erfolgserlebnisse, trotz Risse-Stopfen, und zwischendurch eine Route, bei der Fantasie gefragt war und das Ego zerkrümelt. Die Erleuchtung gab es nicht, aber vielleicht die Erkenntnis, dass das mit dem Klemmen kein Zauberwerk ist, und selbst die „Un-Rissigsten“ von uns vielleicht gar nicht mehr so schlecht in dieser Kletterart sind, wie sie immer denken.

Und wie immer, wenn du besser in etwas wirst, merkst du: Es gibt in jedem Fall noch viel zu lernen! Cadarese wir kommen wieder, dann aber mit Amelie im Gepäck, die wir dieses Mal leider an ihre Uni-Einführungswoche entbehren mussten.

Laura, mega cool dich endlich mal kennen lernen zu dürfen, wir hoffen du bist bald mal wieder dabei!

In unserer Zeit in Cadarese sind wir folgende Touren clean geklettert:

>> The Doors 8a+

>> Mustang 7c

>> c’era una volta (ohne bolts) 7b+

>> Crack-a-Gogo 7a

>> Imbuto Crack 7a

>> Non parlo inglese 7a

>> L´amour toujours (offwidth) 6c

>> Un pomeriggio da Leoni 6c

>> la freccia 6b+

>> Mission gin lemon 6b+

>> Larco 6b

>> Foglie Cadenti 6a+

>> Lo sceriffo di cadda 6b

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