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Biwakieren in Schottland

Text & Bilder: Dave MacLeod

Klettern war für mich schon immer ein Weg, um in die Berge zu gehen und die Zeit dort zu genießen. Das wird auch immer so bleiben, denn ich liebe alles an diesem Sport, auch und vor allem dabei an meine Grenzen zu gehen. Und ich schätze die Zeit, die ich in den Bergen verbringen kann. Gerade das letzte Jahr mit der Corona-Pandemie hat das eindrucksvoll gezeigt, als die Berge auf einmal ganz weit weg schienen. Doch so sehr die Berge mein Leben sind: Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich mich so sehr auf das Klettern fokussiere, dass ich die Berge um mich herum gar nicht richtig wahrnehme. Du sieht nur das, worauf du achtest.

 

Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich als junger Kletterer öfter einen Blick auf die Website des Italieners Mauro “Bubu” Bole warf. Er war damals einer der besten Allround-Bergsteiger. Unter seinem Namen ganz oben auf der Website stand “Ab und zu bleibe ich stehen, nur um zu schauen.” Ich war verwundert, dass er ausgerechnet so einen Satz für seine Darstellung benutzte. Aber vermutlich, weil der Satz von einem Vorbild wie ihm kam, blieb er mir im Gedächtnis. Und so kam es tatsächlich immer wieder vor, dass ich auf meinen Klettertouren innehielt, wenn auch nur einen kurzen Augenblick – nur, um zu schauen. Das machte meine Touren spürbar schöner! Und ich konnte mich dadurch viel besser an meine Routen, an Orte und Erfahrungen in den Bergen erinnern.

 

 

Über die Jahre habe ich viele extrem intensive Erfahrungen in den Bergen gemacht. Meine härtesten Routen haben sich mit Erinnerungen wie Angst, Anstrengung, Erschöpfung oder auch Inspiration in mein Gedächtnis gebrannt. Allerdings fällt auf, dass meine lebhaftesten Erinnerungen nicht unbedingt etwas mit der Schwierigkeit oder “Abenteuerlichkeit” der Tour zu tun haben. Ehrlich gesagt haben die meisten davon gar nichts mit dem Klettern an sich zu tun, sondern mit einer eher einfacheren Art des Bergerlebnisses: Biwakieren.

 

Biwakieren war lange Zeit nichts, das ich unbedingt machen wollte. Wie so vieles am Klettern, das dir Bestätigung und Kraft gibt, war es oft eher unkomfortabel. Zudem musste ich selten biwakieren, da die meisten Ziele in meinen schottischen Heimatbergen in der Regel als Tagestour zu machen sind und ich zuhause schlafen kann. Wenn ich doch einmal biwakieren ging, dann um das besondere Licht der Dämmerung einzufangen oder Freunde auf langen Durchquerungen zu unterstützen. Und jedes Mal nahm ich mir fest vor, es öfter zu machen!

 

 

Ich denke, dass meine Biwak-Erinnerungen deshalb so intensiv sind, weil ich dabei viel mehr Zeit und Raum habe, um die Schönheit der Berge um mich herum wahrzunehmen. Bei vielen anderen Aktivitäten in den Bergen, insbesondere wenn Schwierigkeitsgrade eine Rolle spielen, will man meist woanders sein, als man gerade ist: oben, unten, im Schnee, weg vom Schnee. Es gibt fast immer wichtigere Dinge zu tun als einfach stehen zu bleiben und sich die Umgebung anzusehen. Wenn du dafür Zeit hast, z.B. vor dem Abendessen oder dem Frühstück, entdeckst du so viel mehr: das Licht, die Felsen, die Tiere, die Gerüche und wie sich das alles und das Leben im Allgemeinen für dich anfühlt. In diesen Momenten, sei es allein oder mit anderen, habe ich rückblickend wichtige Entscheidungen für mein weiteres Leben getroffen, Inspiration für neue Projekte gefunden oder es einfach genossen dort zu sein. Trends wie “schnell und leicht” oder “Grenzen verschieben” bringen dich im Bergsport nach oben, aber du solltest ab und zu stehen bleiben, wie es Bubu vorgemacht hat. Biwakieren umgeht dieses Problem ganz einfach: Du musst stehenbleiben und hast sogar noch Zeit für eine Tasse Tee.

 

Aus all diesen Gründen habe ich meine Art und Weise zu klettern angepasst: Ich versuche nun bei jeder Gelegenheit ein Biwak einzubauen, sei es bei langen Wanderungen, Radtouren, am Einstieg neuer Routen oder einfach dort, wo ich eine traumhafte Aussicht habe. Daher war ich auch letztes Jahr so gern in Glen Pean, einem abgelegenen Tal in den westlichen Highlands mit unendlich viel Potential für neue Kletterrouten. Eine neue Trad Route zu entwickeln, braucht viel Zeit, Anstrengungen und meistens auch viel Ausrüstung. Drei Stunden Zustieg mit 100m Seil und einem großen Satz mobiler Sicherungsmittel sind noch machbar. Doch eine neue Route, die an der Grenze deines Kletterkönnens liegt, musst du immer wieder klettern, viele Tage, vielleicht eine ganze Saison über. Wenn du dabei einfach zwei bis drei Nächte vor Ort bleibst, machst du viel schneller Fortschritte. Und zum Glück ist das Biwakieren heutzutage deutlich einfacher, da Schlafsäcke, Matten und Kocher immer leichter und kompakter werden.

 

 

Letzten Herbst war ich oft in meinem neuen Lieblingstal. Ich ließ meine Biwakausrüstung an einer Anhöhe mit traumhafter Aussicht (und ausreichend Wind, um Mücken zu vertreiben). So konnte ich, ohne auf die Uhr zu sehen, stundenlang meine neuen Projekte angehen, oft bis in die Dunkelheit hinein – denn es war ja nur ein kurzer Spaziergang bis zu meinem Biwakplatz, wo ich mir ein warmes Abendessen oder eine Tasse Tee machen konnte. Dabei beobachtete ich den Mond am nächtlichen Himmel und lauschte den röhrenden Hirschen.

 

 

Nach einem gemütlichen Frühstück mit viel Tee ging es einfach zurück zu den Felsen vom Vortag. Wieder acht Stunden oder länger Projektieren, bis die Finger nicht mehr mitmachen. Wobei ich eigentlich bei solchen Projekten die Stunden nicht mitzähle. Mit der Stirnlampe im Gepäck klettere ich oft bis in die Dunkelheit, bis ich einfach zu müde bin. Ich muss mir keine Gedanken über den Heimweg machen, das Abendessen ist nur einen Spaziergang entfernt und ich habe keine weiteren Termine. Gedanken über Zeit verlieren an Bedeutung. Ich fokussiere mich auf meine Route, den Fels, die Berge und das gute Gefühl, das ich hier habe. Nachdem ich dort also mehrere Tage war, fand ich endlich, wonach ich suchte: Ein neues Projekt, das so schwierig aussah, dass ich dafür in der nächsten Saison wiederkommen musste. Immer wieder.

Packliste (für ein Biwak im Oktober)

Ausrüstung

Matte: Helium 2.5

Schlafsack: Helium 400

Biwaksack: Ion Bivi

Kocher: MSR Windburner

Bekleidung

Isolationsjacke: Fitzroy Jacket, plus Frostline Vest if forecast is cold

Midlayer: Kinesis Jacket

Hose: Ibex Mountain Pant

Baselayer: Groundup Tee

Handschuhe: Direkt Gauntlet

Mütze: Branded Knitted Beanie

Schuhe: La Sportiva TX5

Verpflegung

Abendessen: Summit to Eat Beef Stew, Cashew Nüsse, dunkle Schokolade

Frühstück: Haferflocken mit Sahne, gesüßt mit Allulose

Brotzeit: Käse, hartgekochte Eier

Tee: M&S Gold, Vollmilch (0,5l)

Draußen schlafen – aber richtig!

Biwakieren ist nicht überall erlaubt. In Schottland sind Biwaks erlaubt, sofern man sich an die Regeln des Scottish Outdoor Access Code hält. In England und Wales gibt es deutlich strengere Regeln. Mehr zum Biwakieren in UK erfährst du auf der Website des British Mountaineering Council.

 

Auch in Deutschland und anderen Alpenländern gibt es verschiedene Regeln zum Biwakieren. Für eine "Nacht unterm Sternenhimmel" solltest du außerdem einige Grundregeln beachten, um Konflikte mit Mensch und Natur zu vermeiden. Mehr dazu erfährst du in unserem  Ratgeber Draußen Schlafen. Dort geben wir auch Tipps, wie du einen geeigneten Schlafplatz findest und welche Ausrüstung du für eine Nacht unterm Sternenhimmel benötigst:

 

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