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Schlafsack-Temperaturangaben: Was steckt dahinter?

  • Knowhow

Schlafsack-Temperaturangaben

Bei der Suche nach einem Schlafsack achten die meisten erstmal auf den Preis und die Wärmeleistung. Als nächstes kommt die Frage, ob der Schlafsack mit Daune oder Kunstfaser gefüllt ist. Dann spielen Gewicht und Packmaß des Schlafsacks eine Rolle. Verlässliche Aussagen zu Preis und Gewicht und zur Art der Füllung sind klar zu treffen, aber die Frage "Wie warm ist ein Schlafsack?" ist nicht ganz so leicht zu beantworten.

Schlafsäcke damals und heute

Die „gute“ alte Zeit

Früher war die Kaufentscheidung ziemlich einfach: Man kaufte einen Schlafsack aufgrund einer Empfehlung eines Freundes, nach Beratung in einem Sportgeschäft oder aufgrund eines Testberichts eines renommierten Magazins. Manche wagten es auch einfach, das neueste Modell eines namhaften Herstellers auszuprobieren.

Als jedoch die Nachfrage stieg, die gesamte Branche wuchs und ein neuer Kundenkreis Schlafsäcke kaufen wollte, brauchten die Hersteller eine simplere Möglichkeit, um die Leistung ihrer Produkte herauszustellen. Dies führte zur Entwicklung vieler verschiedener Methoden, um die Wärme von Schlafsäcken zu testen: Von einfachen Labortests über sehr komplexe Messungen bis hin zu „Feldversuchen“ und sogar dem einfachen Messen der Dicke des Schlafsacks (was übrigens definitiv nicht funktioniert!). Es gab auch simple Faustregeln: 400 Gramm Daunenfüllung standen für einen Sommer- oder Zwei-Jahreszeiten-Schlafsack. 800 Gramm Daune eigneten sich für einen Winter- oder Vier-Jahreszeiten-Schlafsack. Trotz der zunehmenden Komplexität bei der Konstruktion von Schlafsäcken hatten diese einfachen Regeln noch mehr Relevanz als viele andere Tests. Schließlich setzten sich definierte Temperaturangaben als die "genaueste" Art durch, die Wärme eines Schlafsacks zu beschreiben. Hier beginnt nun aber das eigentliche Dilemma…

Schlafsäcke

Die „schlechte“ alte Zeit

Das Problem mit den vielen verschiedenen Tests war die fehlende Vergleichbarkeit. Ein und derselbe Schlafsack, der auf drei verschiedene Arten getestet wurde, konnte drei verschiedene Bewertungen erzielen: Woher wollte man also wissen, wie warm er wirklich ist? Vergleiche zwischen Marken aus dem gleichen Land waren im Allgemeinen nicht allzu schwierig – wenn man jedoch zwischen Herstellern aus verschiedenen Ländern vergleichen wollte, wurde es kompliziert. Das Problem der ungenauen Temperaturangaben spitzte sich zu, als sehr günstige Schlafsäcke auf den Markt kamen, deren Temperaturangaben scheinbar gefälscht waren. Plötzlich verkauften auch Supermärkte und Discounter Schlafsäcke mit der gleichen angeblichen Wärmeleistung wie Produkte vom Spezialisten, die das Zehnfache kosteten.

Neue Standards

Diese Situation verbesserte sich durch eine neue Schlafsack-Testnorm, die stark von Mountain Equipment und unserer Erfahrung beim Testen von Schlafsäcken beeinflusst wurde. Obwohl die Norm nicht rechtlich bindend war, konnten Hersteller, die Schlafsäcke mit ungenauen Temperaturangaben auf den Markt brachten, bei den Handelsnormen gemeldet werden.

Die Norm EN 13537: „Anforderungen an Schlafsäcke“ wurde 2002 eingeführt und war ein großer Schritt zur Standardisierung der Temperaturangaben. Damit können Verbraucher auch Schlafsäcke verschiedener Hersteller relativ einfach vergleichen. Die Norm aus dem Jahr 2002 wurde von der Norm EN 13537:2012 abgelöst, die aktuelle Norm heißt mittlerweile ISO 23537.
Dadurch, dass der Test ein ISO-Standard wurde, ist er weltweit anerkannt. Sowohl in Europa als auch in Nordamerika findet man nun ISO 23537 Angaben auf Schlafsäcken. Die Prüfnorm selbst wird in regelmäßigen Abständen überarbeitet: Bei gemeinsamen Treffen kommen Prüflabore, Wissenschaftler, Einzelhändler und Marken zusammen, um mögliche Verbesserungen oder Entwicklungen zu besprechen. Mountain Equipment ist seit 20 Jahren ein fester Bestandteil dieser Treffen und wir sind nach wie vor Teil des britischen Leitkomitees für diesen Standard.

ISO 23537

Die Norm ISO 23537 und die ihr vorausgegangene EN 13537 verwenden eine sogenannte Wärmepuppe, die in verschiedene Zonen mit jeweils eigenen Temperatursensoren eingeteilt ist. Die Testpuppe liegt in einem klimatisierten Raum auf einer standardisierten Schlafmatte. Sie trägt einen Standard-Schlafanzug und eine Kälteschutzmaske, die ziemlich gruselig aussieht. Genauso gruselig wie die Kabel zur Datenübertragung, die meist direkt aus den „Augen“ der Testpuppe kommen...

Vor einem Test werden die Schlafsäcke bei konstanter Temperatur und Luftfeuchtigkeit „geloftet“ (die Füllung darf sich entfalten), um die Wiederholbarkeit des Tests zu ermöglichen. Die „warme“ Testpuppe wird anschließend in den Schlafsack in der kühlen Umgebung gelegt. Nun wird die Leistung gemessen, die erforderlich ist, um die Testpuppe warm zu halten. Damit wird der Wärmewiderstand des Schlafsacks bestimmt. Der Test wird so lange durchgeführt, bis der Gleichgewichtszustand erreicht ist – dies kann ein paar Stunden dauern. Sobald der Test mit der Puppe abgeschlossen ist, werden die Zahlen des Wärmewiderstands mit einer Reihe von Temperaturwerten in Beziehung gebracht, die Teil der Norm sind. Diese Umrechnung basiert auf belastbaren Zahlen aus Tests mit realen Personen, die über die Jahre gesammelt wurden.

Die Norm besteht aus drei Temperaturwerten:

- Komfort-Temperatur: Dies ist der Punkt, an dem eine „Standard-Frau“ mit entspannter Körperhaltung gerade nicht friert.

- Limit-Temperatur: Dies ist der Wert, bei dem ein „Standard-Mann“ mit eingerollter Körperhaltung gerade noch nicht friert.

- Extrem-Temperatur: Hier besteht die Gefahr, dass eine „Standard-Frau“ durch Unterkühlung gesundheitliche Schäden davonträgt. Die Angaben zur Extrem-Temperatur können im Grunde ignoriert werden – es sei denn, man hat eine masochistische Veranlagung. 😉

Der Standard hat eine Menge Diskrepanzen zwischen den Herstellern beseitigt und ist durchaus wiederholbar, wobei die Ergebnisse nur um ein paar Grad variieren. Der Test basiert immer auf einer Puppe, die eine konstante Wärmequelle bietet und die nicht von der Ernährung, Müdigkeit, dem Allgemeinzustand oder anderen Faktoren beeinflusst wird. Diese Aspekte beeinflussen die Thermoregulation oder die Wahrnehmung einer echten Person jedoch maßgeblich! Außerdem misst dieser Test einen ganzen Schlafsack – das unterscheidet ihn auch von anderen Labortests.

Wie viele Teststandards ist er jedoch auch nicht perfekt. Es ist wichtig zu wissen, dass der Test den Wärmewiderstand eines Schlafsacks an einer Testpuppe misst, die möglicherweise nicht dich oder deine Art zu schlafen, repräsentiert. Noch dazu findet er in einer Umgebung statt, die nicht unbedingt der entspricht, in der du dich befindest.

Schlafsack Test

Nachteile

Es gibt ein paar Nachteile des ISO 23537-Tests, von denen hier drei erläutert werden:

Testpuppe

Die Puppe, die für den Test verwendet wird, hat in etwa die Form eines Menschen, variiert aber auch ein wenig von Labor zu Labor. Das Problem ist, dass an den engeren Bereichen des Schlafsacks die Isolierung um die Testpuppe herum zusammengedrückt wird und der Schlafsack kälter erscheint, als er tatsächlich ist. Natürlich würde das Gleiche bei einer echten Person passieren, nur dass eine echte Person ihre Arme anzieht, wenn ihr kalt ist oder sich zusammenrollt.

Das Ergebnis ist, dass Tests bei Schlafsäcken mit weiterer Passform besser ausfallen. Schmale Schlafsäcke mit spezieller Passform schneiden oft schlechter gemäß der ISO Norm ab.

Wenn die Testpuppe nicht genau deiner individuellen Körperform entspricht, wird die Wärmeleistung deines Schlafsacks immer von den Normwerten abweichen: Ein zu großer Schlafsack lässt die Luft im Inneren zirkulieren und du frierst schneller. Bei einem zu engen Schlafsack wird die Füllung zu stark komprimiert, wodurch es wiederum kalt wird. Aus diesem Grund solltest du versuchen, eine gute und informierte Entscheidung über den Kauf eines Schlafsacks zu treffen. Dazu gehört, den Schlafsack anzuprobieren, wie du es sicherlich auch bei Bekleidung oder Schuhen machst. Aus diesem Grund bieten wir auch mehrere Passform-Optionen, verschiedene Längen und spezielle Modelle für Frauen.

Testpuppe

Winterschlafsäcke

Einen weiteren wichtigen Aspekt sollte man auch kennen: Der Test nach ISO 23537 schließt das Testen von „Expeditionsschlafsäcken für extreme Klimazonen“ aus. Dies ist vielleicht absichtlich recht vage formuliert... Denn, obwohl der Test offiziell nicht für Schlafsäcke gilt, deren gemessene Limit-Temperatur unter -24°C liegt, haben wir festgestellt, dass die Genauigkeit des Tests unterhalb von etwa -15°C stark nachlässt.

Bei Schlafsäcken mit mehr als 1000g Daunenfüllung oder sehr dicken Kunstfaserschlafsäcken kann der Test zu Ergebnissen führen, die erheblich von „echten“ Erfahrungen „echter“ Benutzer abweichen. Je wärmer der Schlafsack ist, desto größer wird diese Diskrepanz. Wenn du also einen Schlafsack für sehr kalte Bedingungen suchst, dann geh lieber ganz klassisch vor: Sprich mit erfahrenen Freunden oder Mitarbeitern im Fachgeschäft, recherchiere gründlich und kaufe dann von einem etablierten Hersteller, der vielleicht auch zusätzliche Tests zum Norm-Test durchgeführt hat. Diese Methoden sind zuverlässiger als das alleinige Vertrauen in die Temperaturangaben der ISO 23537. Außerdem hilft auch der gesunde Menschenverstand: Ein Schlafsack, der 1200 Gramm Daune enthält ist wahrscheinlich wärmer als ein Schlafsack mit 800 Gramm Daune – es sei denn, Konstruktion oder Daunenqualität sind völlig unterschiedlich.

Winterschlafsäcke

Bezugsstoffe

Wenn man in einer Hütte oder in einem geschützten Zelt schläft, hat der Oberstoff (der Stoff auf der Außenseite des Schlafsacks) keinen wirklichen Einfluss auf die Wärmeleistung – vorausgesetzt der Schlafsack bleibt trocken. Das liegt daran, dass es unter diesen Bedingungen nur wenig Luftbewegungen gibt. Wenn man jedoch unter freiem Himmel oder in einem zugigen Zelt schläft, sieht die Situation ganz anders aus. Nun sind die Oberstoffe plötzlich sehr wichtig, um die Wärmeleistung des Schlafsacks zu beeinflussen.

Bezugstoffe

Beim Test nach ISO 23537 strömt Luft mit etwa 1 km/h direkt von oben auf den Schlafsack. Die Luftbewegung ist schneller als in einem guten Zelt, in einer Hütte oder in einem Biwaksack. Dieser Unterschied spielt bei den meisten winddichten Schlafsack-Materialien keine Rolle. Wenn jedoch die verwendeten Stoffe sehr luftdurchlässig sind, dann führt der ISO 23537 Test tendenziell zu schlechten Ergebnissen. Warum also sollte man also einen Oberstoff verwenden, der eine schlechte Temperaturbewertung ergibt? Unter den meisten realen Bedingungen wird ein Schlafsack mit luftdurchlässigen Stoffen gar nicht wesentlich kälter. Gleichzeitig bieten diese Stoffe viele Vorteile: Sie sind außergewöhnlich atmungsaktiv, sehr bequem, schnell trocknend, sehr leicht und gut komprimierbar. Luftdurchlässige Stoffe haben auch die wunderbare Fähigkeit, Feuchtigkeit aus dem Inneren entweichen zu lassen. Dies ist ein echter Vorteil auf Mehrtagestouren. Viele unserer Athleten verwenden Schlafsäcke mit außergewöhnlich leichten und luftdurchlässigen Stoffen auf ihren Touren – eben gerade, weil sie unter realen Bedingungen so gut funktionieren.

Was bedeutet das nun?

Die Norm ISO 23537 ist, trotz einiger Mängel, das beste Bewertungssystem, das es je für Schlafsäcke gegeben hat. Der Test wurde entwickelt, um zu überprüfen, ob ein Schlafsack der angegebenen Temperatur-Bewertung entspricht. Wenn man zwei Schlafsäcke vergleicht, die nach ISO 23537 nur wenige Grad voneinander entfernt sind, zeigt die Norm, dass sie ähnlich warm sind. Aber es bedeutet nicht unbedingt, dass ein Schlafsack im Einsatz ein paar Grad wärmer ist als der andere!

Good Night's Sleep

Was nur selten diskutiert wird, ist der Nutzen dieser Norm für Schlafsackdesigner wie uns. Sie ist ein unschätzbares Werkzeug für die Entwicklungsarbeit und wir führen zahlreiche Tests während des Entwicklungszyklus eines neuen Produkts durch. Die Informationen, die wir hier erhalten, sind außerordentlich nützlich und decken manchmal Schwachstellen auf, die eine menschliche Testperson vielleicht nicht bemerkt hätte.

Welche Temperaturangabe ist relevant?

Wenn du einen Mountain Equipment Schlafsack kaufst, empfehlen wir dir, dich an unserer „Good Night's Sleep-Temperatur“ (GNS-Temperatur) zu orientieren. Wir sind der Meinung, dass dieser Wert am genauesten zeigt, wie warm ein Schlafsack in der Realität ist. In den meisten Fällen stimmt unsere GNS-Temperatur genau mit der ISO 23537 Limit-Temperatur überein, bei manchen Schlafsäcken kann die Abweichung größer sein. Unsere GNS-Temperatur basiert nicht nur auf den Ergebnissen des ISO-Tests, sondern auch auf unserem großen Knowhow in der Schlafsackentwicklung sowie zahlreichen Tests im Labor und in der Kältekammer. Die Angabe wird zusätzlich von Feedbacks unzähliger Expeditionsteilnehmer und unserer jahrzehntelangen Erfahrung beeinflusst.

Was wir dir außerdem bieten: Du erhältst unsere „Good Night's Sleep Garantie“. Solltest du nach dem Kauf eines Mountain Equipment Schlafsacks merken, dass der Schlafsack nicht so warm ist wie erwartet oder benötigt, kannst du ihn innerhalb von 30 Tagen bei deinem Fachhändler gegen ein wärmeres Modell von Mountain Equipment tauschen. Das ist Schlafsackkauf ohne Risiko! Weitere Informationen dazu findest du auf unserer Garantie-Seite

Zuviel Information?

Wir empfehlen zwar, dass du dich beim Schlafsackkauf an unserer GNS-Temperatur orientierst – aber natürlich solltest du auch berücksichtigen, ob du besonders kälteempfindlich bist. Dein individuelles Empfinden ist sehr wichtig und wird nicht in den Temperatur-Standards gespiegelt. Wenn jemand krank, erschöpft, dehydriert und hungrig ist oder im Freien schläft, wird er viel eher frieren als jemand, der fit und satt ist und an einem geschützten Ort schläft. Daher sollte unsere GNS-Temperatur als hilfreicher Richtwert verwendet werden – aber es bleibt deine ganz persönliche Entscheidung, wie warm dein Schlafsack sein soll.

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