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Merci Vanet – Erstbegehung im Iran

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Iran

Ellie Wiewora
Von Elena Wiewiora aus dem DAV Expeditionskader
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Es ist Donnerstag Vormittag. Ich sitze im Wartezimmer einer Zahnarztpraxis in Innsbruck und warte auf den Rückruf der iranischen Botschaft, während meinem Freund Philipp ein Weisheitszahn gezogen wird. Vier Tage später sitzen wir mit Visum und ohne Zahn im Flugzeug nach Teheran.

Von Teherean aus ist unser erstes Ziel das Klettergebiet Pol-e-khab, das an der Chalus Road liegt, der berühmten Straße von Teheran ans Kaspische Meer. Die 100 Meter oberhalb des Dorfes gelegene, breite Granitwand bietet alles: Neben eingebohrten Sportkletterrouten findet man selbst abzusichernde Rissklettereien und Aid-Routen.

Wir bleiben einige Tage, schlagen unser Zelt direkt am Wandfuß auf und lernen andere Kletterer kennen. Wir sind begeistert vom abwechslungsreichen Routenangebot und von der Motivation und Freundlichkeit der einheimischen Kletterer. In Baraghan, einem weiteren Sportklettergebiet im Norden Teherans, schlafen wir an einem wunderschönen, erfrischenden Bach und Klettern an riesigen Sintern. Kalymnos lässt grüßen!

Dann endlich brechen wir zum Alam-kooh auf, mit fast 5000m der zweithöchste Berg im Iran und das eigentliche Ziel unserer Expedition. Der Plan ist, von Norden über die German Flank auf den Gipfel zu klettern. Aber wie es der Zufall so will, verfahren uns und landen in einem anderen Tal, in das wir ursprünglich gar nicht wollten.

Dort entdecken wir zwei eindrucksvolle Wände, die es uns sofort angetan haben. Wir sprechen mit einheimischen Bergsteigern und unserem Fahrer und bald ist klar, dass hier noch niemand geklettert ist. Wir würden am liebsten auf der Stelle in eine der wunderschönen Linien einstiegen, haben aber zu wenig Ausrüstung dabei. Eins ist jedoch klar: Wir kommen wieder!

Im richtigen Tal angekommen, werden wir von drei Hirten in ihre Steinhöhle eingeladen und köstlich verpflegt. 1600 Höhenmeter sind zu überwinden, um zum Alamchal zu gelangen, dem Camp am Fuße der Alam-kooh Nordwand. Der Weg dorthin fällt mir schwer, denn ich fühle ich mich nicht gut und leide an Durchfall.

Trotzdem kämpfe ich mich durch und wir entscheiden einen Ruhetag einzulegen. Im Biwak auf 4200 Metern schlafe ich gut und erhole mich etwas. Beim Losgehen am nächsten Morgen müssen wir jedoch einsehen, dass es keinen Sinn hat und entscheiden uns zurück ins Tal zu gehen, bevor ich in der Höhe und Abgeschiedenheit alle Kräfte verliere.

Nach einigen Tagen Erholung zieht es uns zurück zum Alam-kooh. Wir wollen eine Linie in der neu entdeckten Wand klettern. Und diesmal sind wir ausgerüstet: Halbseile, Schlaghaken, Hammer, zwei Sätze Friends, Keile und vieles mehr befinden sich in unseren schweren Rucksäcken.

Abends erreichen wir das Tal und schlagen unser Zelt auf dem Geröll auf. So lange es hell ist, blicken wir zur Wand hinüber. Eine Linie sticht uns besonders in Auge. Sie erscheint uns als der einfachste, logischste und schönste Weg zum Gipfel. Sie zieht sich entlang von Rissen und Verschneidungen und lässt sich mit dem Material, das wir haben, gut absichern.

Wir versuchen die Strukturen der Wand zu entschlüsseln und denken über mögliche Fluchtwege nach. Mir wird klar, was es für einen großen Unterschied macht, ob man einfach daheim im Kaiser einen schönen Klassiker wiederholt, mit super Topo, Abstiegsbeschreibung, gebohrten Ständen und Handyempfang - oder ob man in einem tiefen Tal im Iran in eine Wand einsteigt, über die man keinerlei Informationen hat. Am nächsten Tag stehen wir am Einstieg und freuen uns riesig auf den Tag. Mit so viel Material am Gurt kann man sich nur sicher fühlen.

Wir sind aufgezogen von diesem wunderschönen Abenteuer und genießen es, ins Unbekannte zu klettern und uns selbst unseren Weg zu suchen. Überglücklich kommen wir am Ausstieg an und sind uns beide sicher: Wir wollen mehr! Außer einem Loch in meinem Helm, einem verlorenen Schlaghaken und unangenehmem Kaktus-Kontakt im Abstieg hat alles super geklappt.

Uns bleiben noch zwei Tage. Wir entscheiden uns dagegen, die bekannten Routen am Alam-kooh zu klettern, sondern wollen noch eine Erstbegehung versuchen. Wir steigen das Geröllfeld weiter hinauf und finden eine zweite Traumlinie.

Als ich am Abend Nasenbluten und leichtes Fieber bekomme wird uns klar, dass wir seit vier Wochen ohne Unterbrechung unterwegs sind. Wir nehmen uns vor, den nächsten Tag vorsichtig anzugehen. Mir geht es am nächsten Tag viel besser, aber Phillip hat über Nacht hohes Fieber bekommen. Schweren Herzens packen wir unsere Sachen ein und machen uns auf den Rückweg nach Teheran.

Obwohl wir zwei Mal wegen Krankheit umdrehen mussten, war die Expedition eine unglaublich tolle Erfahrung. Wir haben ein sehr gastfreundliches Land kennen gelernt, tolle Sportklettergebiete erkundet und hohe Berge entdeckt. Das Potential für neue Sport- und Alpinkletterrouten ist enorm. Es war meine erste lange Reise in ein Land, dessen Sprache ich weder lesen noch sprechen kann.

Die Erfahrungen am Alam-kooh haben uns beide weitergebracht, vor allem was das taktische Vorgehen bei großen Unternehmen angeht - eine sehr gute Vorbereitung für Abschlussexpedition mit dem Expeditionskader nächstes Jahr.

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