Text von Florian Frank
Als ich das erste Mal ein Bild aus dem Wadi Rum Dessert in Jordanien sah, war ich sofort fasziniert. Dort sah es ganz anders aus, als man sich vielleicht im ersten Moment eine Wüste vorstellen würde. Anstatt endloser Weite erspäht man eine Felswand nach der anderen, senkrecht, mehrere hundert Meter hoch und mit den bizarrsten Felsformationen versehen. Das lässt natürlich jedes Kletterherz höherschlagen. Entschlossen, diesem Naturspektakel einen Besuch abzustatten, brachen wir Mitte März zu fünft nach Jordanien auf. Überschattet wurde das ganze vom aktuellen Israelkonflikt, welcher nur wenige 100 km Luftlinie entfernt war und uns allen ein mulmiges Gefühl bescherte. In Jordanien angekommen, war davon aber erst mal überhaupt nichts zu bemerken. Vom Flughafen wählten wir den bequemen Weg und bretterten mit einem Großraumtaxi 4 Stunden lang den Dessert Highway entlang, bis wir am Eingang zum Wadi Rum Dessert, dem sogenannten Checkpoint, ankamen. An dieser Stelle braucht man einen Kontakt (bzw. eine Unterkunft) im Rum Village, um weiterfahren zu dürfen. Wir hatten im Vorfeld mit einem dort lebenden Beduinen (Einheimischer in der Wüste) Kontakt aufgenommen. Von diesem wurden wir dann im Village auch sogleich herzlichst mit einem zuckersüßen Tee empfangen. Die Leute in Jordanien und ganz besonders im Wadi Rum sind ungemein gastfreundlich, wir wurden sogar einmal auf dem Nachhauseweg von einer Klettertour von dort lebenden Ägyptern zum Fastenbrechen eingeladen.
Aber nun zum Klettern. Nachdem wir die erste Nacht im Rum Village verbracht hatten, kribbelte es uns natürlich schon in den Fingern und wir hatten gleich die erste Tour ins Auge gefasst. Ein absoluter Klassiker mit moderaten Schwierigkeiten sollte es werden - die perfekte Einstiegstour, um sich an den Sandstein und den Umgang mit mobilen Sicherungsmitteln zu gewöhnen. Natürlich mussten auch wir das obligatorische Bild in der ersten Seillänge schießen, welches erheblich zum Bekanntheitsgrad der Tour mit dem Namen „The Beauty“ mit beigetragen hat. Wichtig zu wissen ist, dass es sich beim Wadi Rum größtenteils um ein Trad-Gebiet handelt. Eine Vielzahl der Routen orientiert sich daher immer an einer logischen Linienführung entlang von Rissen und Verschneidungen. Im letzten Jahrzehnt stieg der Bekanntheitsgrad der Gegend stark an und so kam es, dass auch immer mehr Bohrhaken Routen erschlossen wurden (deren Haltekraft jedoch teilweise sehr fragwürdig ist). Zum Abschluss der Tour wurden wir dann noch mit einem gigantischen Blick vom Gipfelplateau belohnt.
Hitzebedingt entschieden wir uns, die beiden anstehenden heißen Tage im sogenannten Barrah Canyon zu verbringen. Dieser befindet sich eine gute halbe Stunde Autofahrt entfernt vom Rum Village inmitten der Wüste. Durch seine Vielzahl an Routen in allen Expositionen konnte man hier tagsüber bei angenehmen Temperaturen im Schatten klettern und nachts bei einem Biwak im Sand den klaren Sternenhimmel bewundern.
Infolge des Israelkonflikts ist der Tourismus in diesem Jahr drastisch zurückgegangen, was für die Bewohner der Region ein ernsthaftes Problem darstellt, da sie in den letzten Jahren zunehmend vom Tourismus abhängig geworden sind. Das Wadi Rum ist nicht nur für Kletterer ein begehrtes Ziel, wegen der beeindruckenden Landschaft dient die Wüste oft als Filmkulisse für zahlreiche Blockbuster, wie zum Beispiel „Dune“ oder „Der Marsianer“ und zieht Menschen aus aller Welt an. Für uns erwies sich die aktuelle Situation jedoch als vorteilhaft, da wir praktisch überall, sogar in den bekannten Touren, allein waren. Nach unserem Ausflug in die Wüste ging es zurück ins altbekannte Rum Village und wir kletterten am nächsten Tag von dort aus die „Lionheart“. Für mich persönlich stellte diese Tour ein Highlight unserer Reise dar. Sie erstreckt sich über acht senkrechte Seillängen, hauptsächlich entlang von super Rissen und Kaminen und wird im Führer als „simply the best pure crack climb in Wadi Rum“ bezeichnet.
Fotos oben von Josua Printz.
Foto rechts von Jakob Zebhauser.
Nachdem wir nun einige „must-do‘s“ bereits abhaken konnten, entschieden wir, die nächste Nacht weit draußen in der Wüste bei einem riesigen Steinbogen zu verbringen. Nach einer einstündigen Autofahrt und dem darauffolgenden Anstieg über einen alten Beduinenweg standen wir voller Bewunderung vor der gigantischen Felsbrücke.
Foto rechts von Florian Frank.
Den restlichen Tag verbrachten wir damit, mit dem Kletterseil
eine riesige „Swing“ zu bauen und ordentlich Flugmeilen zu sammeln 😊
Foto rechts von Joscha von Andrian.
Unsere Zeit im Wadi Rum neigte sich nun langsam schon wieder zu Ende. Wir konnten noch zwei modernere Routen klettern, bevor uns ein Regentag zur Pause verpflichtete. Dann ging es über Umwege auch schon wieder zurück zum Flughafen in Amman. Dabei statteten wir der Felsenstadt Petra, noch einen Besuch ab – ein klein bisschen Kultur muss schließlich auch sein, wenn man in einem so faszinierenden Land unterwegs ist.
Foto unten links von Florian Frank.
Foto unten rechts von Josua Printz.
Über Florian
Florian „Flo“ Frank wohnt in Bad Aibling und studiert zurzeit Gymnasiallehramt mit den Fächern Mathe und Physik.
In den Bergsport startete er mit Lauf- und Berglaufwettkämpfen, bevor er auch das Klettern für sich entdeckte. Seine langjährige Bergerfahrung und Kondition verhalfen ihm zu einem Platz im DAV Expedkader der Männer 2023-2025. Seine Fähigkeiten im Klettern und besonders im Winterbergsteigen möchte er während der Kaderzeit noch weiter ausbauen.