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Colin Prior: Höhepunkte meines Lebens

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  Panorama

Colin Prior
Text & Fotos: Colin Prior
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Als ich vor 38 Jahren meine Karriere als Profi-Fotograf begann, traf ich oft auf etablierte Presse- und Werbefotografen, die ebenfalls Landschaften fotografierten. Ich fragte mich, was ich als junger Fotograf tun könnte, um Anerkennung für meine Arbeit zu erhalten. Ich tat, was mir damals logisch erschien: Ich folgte meinem Bauchgefühl und entwickelte meine persönliche Philosophie, geprägt aus Erfahrungen und Begegnungen. Sie formt meine Arbeiten mit einer inneren Sicht auf die Schönheit der Welt. Das geschah jedoch nicht von heute auf morgen. In den ersten zehn Jahren meiner Karriere als freiberuflicher Fotograf machte ich kein einziges Bild für mich selbst. Ich konzentrierte mich auf den Aufbau meines Unternehmens und "parkte" meine persönlichen Ambitionen so lange, bis ich es mir leisten konnte, meinen eigenen Träumen nachzugehen.


Panorama

Cameras
1989 war es soweit. Der Kamera-Hersteller Linhof stellte eine überarbeitete Version der Linhof Technorama 617S vor, die seit einigen Jahren nicht mehr produziert worden war. Ich war in einem amerikanischen Kameramagazin auf ihr einzigartiges 3:1-Format gestoßen und total fasziniert. Unglaublich, dass es, wenn überhaupt, nur wenig ernsthafte Landschaftsfotografie mit dieser Kamera und diesem Format gegeben hatte. Es gelang mir, die erste Kamera zu kaufen, die nach Großbritannien geliefert wurde. Das Format war perfekt, um die Topografie der schottischen Landschaft einzufangen, vor allem von erhöhten Aussichtspunkten aus. Ich begann, ein Portfolio der schottischen Berge über die Jahreszeiten hinweg zu erstellen. Meine Arbeit wurde gut angenommen. Überregionale Tageszeitungen und Kameramagazine brachten Interviews mit mir, wodurch ich immer mehr Aufmerksamkeit für meine Arbeit bekam, in der ich die wilde, abgelegene Natur Schottlands mit diesem neuen, einzigartigen Format kombinierte. Innerhalb von zwei Jahren beauftragte mich Constable mit der Produktion meines ersten Buches Highland Wilderness. Auch British Airways engagierte mich für ihren Unternehmenskalender, dem ersten von vier, der mein erster internationaler Auftrag sein sollte und der mir sehr am Herzen lag.

Im Laufe der Jahre hat British Airways eine Vielzahl von Naturschutzorganisationen unterstützt, indem sie Menschen, Fracht und die Tiere selbst für Zuchtprogramme transportierte. Sie beauftragten mich, in dreizehn Länder zu fliegen, um die Lebensräume dieser gefährdeten Tiere und Vögel zu fotografieren. Dazu gehörten der Schneeleopard in Nepal, der Weißbauch-Spinnenaffe in Venezuela, der afrikanische Elefant in Kenia und der Rotkronenkranich in Venezuela. Zusätzlich wandte sich British Airways auch an den talentierten Tierkünstler Keith Brockie, um die einzelnen Arten zu illustrieren, die auf dem Kalenderblatt neben meinen Bildern erscheinen sollten. Es war eine fantastische Möglichkeit für mich. Heute erscheint es fast unglaublich, dass British Airways Reisefotografie dieses Ausmaßes für einen Kalender in Auftrag gegeben hat.


Thamserku

Thamserku und Kangtega, Sagarmatha National Park, Nepal


Schneeleopard

Schneeleopard ©Keith Brockie


Lake Kariba

Lake Kariba, Matusadona National Park, Zimbabwe


Spitzmaulnashorn

Spitzmaulnashorn ©Keith Brockie

 

Das Panoramaformat hat meine Karriere geprägt. Seine visuelle Wirkung war wie keine andere auf dem Markt. Heute kann jeder ein Panorama erstellen – die von iPhones erzeugten Panoramabilder sind ganz hervorragend. Man kann aber auch eine Reihe von mehreren Bildern zusammenfügen, um ein breiteres und höher aufgelöstes Panoramabild zu erhalten. Nur wenige haben jedoch wirklich begriffen, warum die mit dieser Kamera aufgenommenen 3:1-Bilder so ansprechend sind. Die Antwort liegt in der Tatsache begraben, dass sie zwar eine Weitwinkelansicht (87°), aber kein Weitwinkelobjektiv besitzt – ein 90 mm mit einem Bildkreis, der eine 17 cm breite Transparenz abdecken kann. Das andere Objektiv, das ich regelmäßig verwendete, war das 180-mm-Objektiv, das ideal für die Aufnahme kleinerer Landschaftsbereiche war. Wir haben also die Kombination aus Weitwinkel und dem "Pull " eines 90 mm und eines 180 mm-Objektivs, die genau die gleichen Qualitäten haben wie die Teleobjektive, die für kleinere Formate entwickelt wurden.

Es lohnt sich, dies zu erklären, denn es ist für jeden relevant, der im Freien fotografiert. Es gibt den Mythos, dass Ultraweitwinkelobjektive aufgrund ihres erweiterten Blickwinkels die größte visuelle Wirkung erzielen - ein 16-35-mm-Zoom ist für viele das ultimative Objektiv für Landschaftsfotografien. Einige Fotografen übersehen dabei, dass alle Elemente des Fotos verkleinert werden müssen, um mehr visuelle Informationen auf den Sensor zu pressen. Das bedeutet, dass das Reproduktionsverhältnis sowie die visuelle Wirkung kleiner werden. Bei kürzeren Brennweiten, sagen wir 16-20 mm, treten die Vordergründe stärker hervor und neigen dazu, die Komposition zu dominieren. Das Motiv geht oft im Hintergrund verloren, während die Verzerrung in den Ecken stärker ausgeprägt ist. Ich persönlich fotografiere nur selten einem Objektiv, das breiter als ein 28 mm ist und nutze für Landschaftsarbeiten häufig Teleaufnahmen. Ihre Vergrößerung und das Ausblenden des Vordergrundes wie bei meiner früheren Panoramakamera ermöglichen dem Betrachter einen leichten Zugang zur Landschaft, ohne dass er visuell über eine Anordnung von Felsen oder Geröll im Vordergrund klettern muss.

Nachdem ich bei meinen Landschaftsprojekten fast ausschließlich mit dem Format 617 gearbeitet hatte, stellte ich 2012 fest, dass es sich zu einer kreativen Zwangsjacke entwickelte. Es war an der Zeit für etwas Neues. Die Kosten für Film, Bearbeitung und Scannen sowie die Tatsache, dass ich alles erst nach London schicken musste, überzeugten mich, mich von meinen Kameras zu trennen. Im Jahr 2014 wurde Scotland's Finest Landscapes veröffentlicht. Diese Retrospektive meines Panoramawerks ermöglichte mir einen gewissen Abschluss dieses Kapitels in meinem Leben. Es gab noch viel mehr, was ich tun wollte. Während meiner Zeit in der schottischen Wildnis hatte ich mir eine geistige Bibliothek von Orten aufgebaut, die großes fotografisches Potenzial hatten. Ich war mir auch bewusst, wie sehr sich die Fotografie in den letzten 23 Jahren verändert hatte und wie wichtig es war, an einem Projekt zu arbeiten, das von einer bedeutungsvollen Geschichte untermauert war.

Seit meinem achten Lebensjahr hege ich eine tiefe Faszination für Vögel. So verbrachte ich einen Großteil meiner Kindheit auf Acker- und Waldflächen, wo ich viel Kontakt mit diesen Lebewesen hatte. Während der Jahre, die ich als Fotograf in der Natur verbracht habe, wurde mir die abnehmende Zahl der Vögel – insbesondere Kiebitz, Brachvogel, Turmfalke, Rebhuhn, Star und viele andere mehr – immer bewusster. Ich fragte mich: Wie könnte ich mein Interesse an Vögeln und ihre Notlage mit meinem Wissen über die Natur vereinen? Zu Beginn meiner Karriere als Fotograf erkannte ich, dass ich durch das Genre der Landschaftsfotografie mehr über Natur und Lebensräume sagen konnte als ein Tierfotograf. Als Landschaftsfotograf kann ich die Elemente der natürlichen Welt in meinem Sucher so arrangieren, wie es meinem Gefühl für diesen Ort entspricht. Bei der Tierfotografie ist dies meiner Meinung nach viel schwieriger zu erreichen. Man ist ja völlig davon abhängig, was der Vogel oder das Tier als Nächstes tut. Das Fotografieren von Vögeln war für mich deshalb nicht so attraktiv. Ich war mir jedoch der unzähligen Farbmuster und Formen von Vogeleiern bewusst und war mit ihren Lebensräumen vertraut. So kam ich auf die Idee, Diptychen zu erschaffen – auf einer Seite ein Bild eines Vogeleis und auf der anderen ein Bild seines Lebensraums. So wurde Fragile geboren.

Fragile
Fragile
Fragile

Zehn Jahre später. Fragile wird im Oktober 2020 von Merrell veröffentlicht und zeigt über 100 Arten von Eiern und Lebensräumen. Alle Eier wurden in den Museums of Scotland in Edinburgh mit einer Technik fotografiert, die Fokus-Stapeln genannt wird. Dabei ist jedes Eifoto eine Zusammenstellung von 40-80 Einzelbelichtungen, die eine Schärfe von vorne nach hinten über das Ei hinweg ergeben. Die Kapitel sind nach Lebensraum kategorisiert, beginnend mit Bergen und Moorland, Laubwäldern usw. Viele der Orte sind das, was ich als unberührte Natur bezeichne, die wenig oder gar nicht betreten werden. Sie wurden im Laufe der vielen Jahre, die ich in der schottischen Landschaft verbracht habe, entdeckt. Das Projekt war eine natürliche Weiterentwicklung meiner Arbeit, wenn auch in eine neue Richtung. Ungeachtet dieser neuen Ausrichtung war ich noch nicht ganz bereit, der Bergfotografie den Rücken zu kehren. Mein nächstes Buch "Der Karakorum" wird im Februar 2021 ebenfalls bei Merrell erscheinen.

Der Karakorum

Dieses Buch ist eine Zusammenstellung von sechs Reisen in das pakistanische Karakorumgebirge, von denen ich die erste 1996 machte. Ich war in über 50 Ländern. Der Karakorum ist nach wie vor mein Reiseziel Nummer eins. Es war ein enormes Privileg, diese Region, die sich seit den ersten Erkundungsexpeditionen im späten 19. Jahrhundert kaum verändert hat, zu bereisen und entdecken. Jedes Mal, wenn ich mich auf eine neue Expedition begebe, habe ich das Gefühl, in der Zeit zurückreisen. Das Buchprojekt wurde nun offiziell von der pakistanischen Regierung anerkannt, die maßgeblich an der Veröffentlichung beteiligt war. Dafür bin ich sehr dankbar, und ich freue mich darauf, die Bemühungen vieler Jahre Arbeit endlich in gedruckter Form zu sehen.

Baintha Brakk

Baintha Brakk (The Ogre) (7.285 m) und Latok II (7.108 m), Biafo Glacier, Panmah Muztagh, Karakorum-Gebirge, Pakistan

Im Juni dieses Jahres wollte ich noch einmal für eine abschließende Expedition nach Pakistan und musste die Reise auf nächstes Jahr verschieben. Ich hoffe darauf, unter anderem einige Luftaufnahmen der Karakorum-Giganten zu machen: K2, die Gasherbrums, Biatha Brakk (Orge) und die Latoks. Das wäre für mich das Tüpfelchen auf dem i und ein weiterer Höhepunkt in meinem Leben, den ich hoffentlich später in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentieren kann. Das Karakorumgebirge ist ohne Gleichen. Ich habe versucht, diese einzigartige Schönheit in meinem Werk auszudrücken.

Ghur & Pamshe Peak

Ghur (5.796 m) und Pamshe Peak (6.023 m), Biafo Glacier, Panmah Muztagh, Karakorum-Gebirge, Pakistan


Colin Prior

Colin Prior, Gondogoro La, Baltoro Muztagh, Karakorum-Gebirge, Pakistan

 

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